Ergebnisse Authentizität im Film "Kisses to children"

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Authentizität im Film Kisses to children


Vassilis Loules Film mit dem griechischen Orginaltitel „Filia eis ta paidia“ aus dem Jahre 2011[1] handelt von fünf griechisch-jüdischen Kindern, die während der deutschen Besetzung Griechenlands von Christen vor den Nationalsozialisten versteckt wurden. Jahrzehnte nach ihren Erlebnissen erzählen sie erstmals vor der Kamera, wie sie die NS-Diktatur überlebten. Der Film besteht hauptsächlich aus Interviews mit den Betroffenen, die teilweise mit dokumentarfilmtypischen Originalmaterialien vermengt werden. Da die Intention eines Dokumentarfilms eine andere als bei Spielfilmen ist, muss bei der Analyse anders vorgegangen werden. Während der Spielfilm erst seine Authentizität beweisen muss, geht man grundsätzlich bei einem Dokumentarfilm von einer gewissen Glaubwürdigkeit aus, die der Film entweder beibehält oder verliert. Das Einbringen der Zeitzeugen in „Kisses to the Children“ schafft mit vielen originalen Filmaufnahmen von jüdischen griechischen Familien einen allgemeinen Zustand, der vertrauenswürdig und realitätsgetreu dem Zuschauer Informationen liefert. Da aber auch ein Dokumentarfilm nicht absolut objektiv sein kann, wird der Rezipient automatisch auf eine bestimmte Sichtweise gelenkt. Nach dem Einblenden des Titels, liest eine Stimme im Off die Namen und das Alter von griechischen, im Holocaust gestorbenen Kindern vor[2]. Gezeigt wird dabei ein Kinderbild, die Liste der Verstorbenen und aufsteigender Rauch. Der Zuschauer bekommt damit ein Gefühl der Nähe zu den Kindern und empfindet Bedrückung. Diese Emotionen entstehen nicht zufällig, sondern sind vom Regisseur beabsichtigt. Weil die gezielte Beeinflussung des Rezipienten die Objektivität des Films einschränkt, verfehlt er das informative Ziel des Dokumentarfilms und verliert damit an Glaubhaftigkeit. Auch die Zeitzeugen sind nicht immer verlässliche historische Quellen. Das wird deutlich bei der Erzählung eines Überlebenden, der eine Erinnerung aus frühster Kindheit Wort für Wort wiedergibt[3]. Die dabei aufkommende Frage, nach der Übereinstimmung mit der Vergangenheit lässt sich nicht überprüfen, es scheint jedoch ungewöhnlich sich an Dialoge zu erinnern, die man mit drei oder vier Jahren geführt hat. Ungenaue Erinnerungen und Gedächtnislücken sind bei Zeitzeugen von lang vergangenen Ereignissen durchaus kein Einzelfall und sollten vom Konsumenten stets bedacht werden. Nicht nur durch die bewusste Auslassung und Fokussierung von Inhalten kann der Regisseur seine Einstellung in den Dokumentarfilm einbringen, auch die Art und Weise der Montage kann eine Haltung wiederspiegeln. Als eine tragische Geschichte über die Deportation einer Familie erzählt wird[4], ist die angehäufte Einsetzung von Cuts deutlich. Die Sprachlosigkeit und Überwältigung der Gefühle wird so stark hervorgehoben und ist nicht so authentisch wie eine Abbildung in Echtzeit. Die aufgeführten Beispiele zeigen: Nicht nur fiktionale Filme (vgl. Spielfilm) können das Publikum beeinflussen, es ist auch bei Dokumentarfilmen möglich. „Kisses to the Children“ ist dennoch ein Film mit hoher Authentizität und durchaus geeignet um sich ein Bild über die damalige Situation der Juden in Griechenland zu bilden. Die Erschließung von geschichtlichen Themen ist folglich nicht nur auf Bücher, Bilder und Websites beschränkt, sie kann auch in Form des Ansehens eines Films erfolgen. Es sollten dabei aber nicht ausschließlich Rückschlüsse aus einer Quelle gezogen werden.

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Die Erschließung von geschichtlichen Themen ist folglich nicht nur auf Bücher, Bilder und Websites beschränkt, sie kann auch in Form des Ansehens eines Films erfolgen. Es sollten dabei aber nicht ausschließlich Rückschlüsse aus einer Quelle gezogen werden. Im Zeitalter des Internets ist allerdings meist die Flut an Informationen problematisch. Um die nützlichen und seriösen Materialien heraus zu filtern, bedarf es einer gewissen Fähigkeit, die sogenannte Medienkompetenz.


Auswertung Workshop Erasmus+
Medienkompetenz beschreibt näherungsweise „die Fähigkeit, Medien und die dadurch vermittelten Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend effektiv nutzen zu können“[5]. Wahrnehmung der Beeinflussung durch Medien begann erst mit den Propagandafilmen des Ersten Weltkrieges, die nicht mit Augenzeugenberichten übereinstimmten.[6] Der Prozess der Sensibilisierung ging anfangs langsam vonstatten, mittlerweile ist der richtige Umgang mit Medien schon ein fester Bestandteil der schulischen und außerschulischen Erziehung. Um den Stand der Medienkompetenz Jugendlicher zu erfassen, wurde die Analyse des Dokumentarfilms „Kisses to the Children“ im Rahmen des Erasmus+-Projektes, in der griechischen Stadt Ioannina im Oktober 2015 durchgeführt. Eine Gruppe von 29 Schülern im Alter von 15 bis 18 Jahren, bekam die Aufgabe, gezielte Fragen über die Intentionen der Filmemacher zu beantworten. Hierfür wurde zuerst der Dokumentarfilm gezeigt und anschließend im Rahmen einer Präsentation ein Arbeitsblatt mit zehn Fragen ausgefüllt. Exemplarisch werden nun zwei der Fragestellungen ausgewertet. Dabei sind aufgrund von Verständnisproblemen manche Antworten nicht verwendbar und fließen in den folgenden Ringdiagrammen in den Sektor „Andere Antworten“ ein.
Auswertung Workshop Erasmus+
Die erste Frage handelt von den Gefühlen, die durch bestimmte Mittel im Rezipienten hervorgerufen werden sollen. Sie bezieht sich auf den Beginn des Films, in dem Namen und Alter von verstorbenen Kindern vorgelesen werden. Gezeigt wird hierbei ein altes Kinderbild, die Liste der Verstorbenen, sowie aufsteigender Rauch. Die Schüler sollten dabei zu dem Ergebnis kommen, dass sowohl die gezielte Einsetzung von Namen und Alter, als auch die Verbildlichung des Todes mit aufsteigendem Rauch, Emotionen wie Mitgefühl bei den Konsumenten weckt. Fast 60 Prozent konnten zumindest teilweise die Manipulation identifizieren. Ein weiterer großer Teil nannte Mittel, wie eindringliche Musik, die sich auf den ganzen Film beziehen und deswegen zu der Kategorie „Andere Antwort“ zählen.

In dem zweiten zu analysierenden Ausschnitt, ist ein Mann zu sehen, der detailliert von einem Gespräch über mögliche Verstecke vor den Deportationen der Nationalsozialisten erzählt. Da er damals drei bis vier Jahre alt war, ist es fraglich, ob diese Aussagen mit dem damalig Gesagten übereinstimmen. Auch muss die Auffassung eines Kindes, das die Zeit der NS-Diktatur miterlebte, kritisch hinterfragt werden. Diese Aspekte, die die Glaubwürdigkeit der Zeitzeugen beschränken, wurden als Antwortmöglichkeiten von den Jugendlichen erwartet und von 76 % auch korrekt ermittelt.

Die Ergebnisse des Arbeitsauftrags sind zwar nicht aussagekräftig, geben aber einen Einblick in die heutige Medienkompetenz europäischer Teenager. Dank schulischer Initiativen zur Förderung des kritischen Umgangs mit Medien, wie dem Film, haben die Befragten große Fähigkeiten bewiesen, Manipulationen aufzuzeigen. Zudem konnten sie fragwürdige Inhalte erkennen.

Unsere Gesellschaft wird zu einem beträchtlichen Teil durch die Medien gestaltet und beeinflusst. Schauspieler oder große Filmproduktionen haben eine gewisse Macht über Menschen, ihre Gewohnheiten, Kleidungsstile oder ähnliches. Gerade deswegen wird es immer wichtiger, das Gesehene zu reflektieren und nicht einfach als Wahrheit hinzunehmen. Das gilt im Besonderen für Filme, die ein geschichtliches Thema behandeln, wie „Schindlers Liste“ oder „Kisses to the Children“. Einige der Feinheiten, die bei der Untersuchung eines Films auf Authentizität beachtet werden müssen, wurden in dieser Arbeit genannt. Letztendlich ist das Zusammenspiel aller Faktoren, von Originalaufnahmen über Kameraeinstellungen bis hin zum Schnitt, entscheidend für die Aufnahme des Individuums von Informationen. Um zwischen Realität und Fiktion trennen zu können, muss der Kontakt mit den Medien vorhanden sein, denn Medienkompetenz ist ein lebenslanger Lernprozess und ist nicht automatisch vorhanden.[7]



weitere Literaturempfehlungen rund um das Thema "Authentizität im Film/Geschichte im Film"
  • Sponsel, Daniel (Hg.),Der schöne Schein des Wirklichen: Zur Authentizität im Film, Konstanz 2007
  • Deutsches Auswandererhaus (Hg.),Jüdische Emigration: Gehen oder Bleiben?, in: [1], DL vom 29.10.2015
  • International Documentary Film Festival Amsterdam (Hg.), Kisses to the Children, in: [2], DL vom 04.11.2015.
  • Nitsche, Stephanie, Schindlers Liste und der Kampf um Gut und Böse, in: [3], DL vom 03.11.2015.




  1. Kisses to the Children, in: https://www.idfa.nl/industry/tags/project.aspx?id=ae7cb15b-a78c-4705-9fdf-57bbf83a63f3, DL vom 04.11.2015.
  2. Loules, Vassilis, Kisses to the Children, 2011, 00:00:56-00:01:35.
  3. Loules, Vassilis, Kisses to the Children, 2011, 00:20:45-00:22:08.
  4. Loules, Vassilis, Kisses to the Children, 2011, 00:44:20-00:45:50.
  5. Brothers, Marx, u.a., Medienkompetenz – Was ist das?, in: http://groups.uni-paderborn.de/wipaed/learnlabmediendidaktik/Website/7_files/9_Medienkompetenz.pdf, DL vom 05.11.2015.
  6. Vgl. Sponsel, Daniel (Hg.), Der schöne Schein des Wirklichen: Zur Authentizität im Film, Konstanz 2007, S. 120f.
  7. Vgl. Brothers, Marx, Medienkompetenz – Was ist das?, in: http://groups.uni-pader-born.de/wipaed/learnlabmediendidaktik/Website/7_files/9_Medienkompetenz.pdf, DL vom 05.11.2015.