Das Warschauer Getto damals und heute: Unterschied zwischen den Versionen

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[[File:Bundesarchiv Bild 101I-270-0298-12, Polen, Ghetto Warschau, Brücke.jpg|350px]]  [[Datei:Stahlträger - ehemaliger Übergang.jpg|Erinnerung an den Übergang zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Warschauer Gettos|340px]]
 
  
Nur noch ein paar Stahlträger erinnern heute an den ehemaligen Übergang im Warschauer Getto.
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= Das Warschauer Ghetto =
  
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Das Warschauer Ghetto war das größte jüdische Ghetto in der Zeit des Nationalsozialismus. Allerdings sind heute nur noch sehr wenige Spuren des ehemaligen Ghettos zu finden. Dies liegt u.a. daran, dass das jüdische Ghetto nach dem jüdischen Aufstand 1943 von den Deutschen dem Erdboden gleich gemacht wurde.
  
[[File:Bundesarchiv Bild 101I-270-0298-13, Polen, Ghetto Warschau, Brücke.jpg|350px]]  [[File:Bundesarchiv Bild 101I-270-0298-14, Polen, Ghetto Warschau, Brücke.jpg|350px]]
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[[File:Warsaw Ghetto destroyed by Germans, 1945.jpg|800px]]
  
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<small><div align="right">''Das Warschauer Ghetto 1945 nach der Sprengung/Zerstörung durch die Deutschen''</div></small>
  
[[File:Bundesarchiv Bild 101I-134-0791-29A, Polen, Ghetto Warschau, Ghettomauer.jpg|350px]] [[File:Bundesarchiv Bild 101I-270-0298-11, Polen, Ghetto Warschau, Drahtzaun.jpg|350px]]
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Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen erreichten vier Wochen nach Kriegsbeginn die ersten Streitkräfte die Hauptstadt. In Warschau lebten mehr als 380.000 Juden. Schnell wurde klar: Für sie alle gibt es nur sehr wenig Hoffnung. Einwohner jüdischen Glaubens wurden fortan nicht nur ausgegrenzt und diskriminiert, sondern katastrophalen Lebensbedingungen ausgesetzt. Am 2. Oktober 1940 erging der Befehl zur Errichtung eines Ghettos. Durch hohe Mauern abgeriegelt entstand eine Stadt in der Stadt. Unterversorgung, Platzmangel und Zwangsarbeit bestimmten das Leben der Bewohner im Ghetto. Auf 3,1 Quadratkilometer lebten teilweise bis zu 450.000 Menschen zusammen. Damit war das Warschauer Ghetto das größte Ghetto während der Zeit der deutschen Besatzung. Überträgt man diese Bevölkerungsdichte auf den Landkreis Haßberge, würde dieser 140 Millionen Einwohner aufweisen, was in etwa der Bevölkerungszahl der Russischen Föderation entspricht. So war es nicht verwunderlich, dass der Alltag der Menschen im Ghetto von Enge, Hunger, Krankheiten und Leid geprägt war.
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[[File:Bundesarchiv Bild 101I-134-0771A-39, Polen, Ghetto Warschau, Kind in Lumpen cropped.jpg|thumb|Polen, Warschauer Ghetto.- Passanten neben auf dem Gehweg liegenden jüdischen Kind in Lumpen]]
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[[File:Death penalty for Jews outside ghetto and for Poles helping Jews anyway 1941.jpg|thumb|Den Juden war es nicht gestattet, das Ghetto zu verlassen, sonst drohte die Todesstrafe.]]
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Der polnische Mediziner Ludwik Hirszfeld, der von 1941 bis 1943 im Warschauer Ghetto eingepfercht war, schilderte die menschenunwürdigen Zustände dort in folgenden Worten:
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:„Die Straßen sind so übervölkert, daß man nur schwer vorwärts gelangt. Alle sind zerlumpt, in Fetzen. Oft besitzt man nicht mal mehr ein Hemd. Überall ist Lärm und Geschrei. Dünne, jämmerliche Kinderstimmen übertönen den Krach. […] Auf den Bürgersteigen stapeln Kot und Abfälle sich zu Haufen und Hügeln. […] Ich sehe ungeheuer viele Männer und Frauen, die vom Ordnungsdienst gejagt werden. Alte, Krüppel und Gebrechliche werden an Ort und Stelle selbst liquidiert. […] Oft liegt etwas mit Zeitungen Zugedecktes auf dem Bürgersteig. Schrecklich ausgezehrte Gliedmaßen oder krankhaft angeschwollene Beine schauen meistens darunter hervor. Es sind die Kadaver der an Flecktyphus Verstorbenen, die von den Mitbewohnern einfach hinausgetragen werden, um die Bestattungskosten zu sparen. […] Tausende von zerlumpten Bettlern erinnern an das hungernde Indien. Grauenhafte Schauspiele erlebt man täglich.“ – Ludwik Hirszfeld (zit. nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Warschauer_Ghetto#cite_note-2 Wikipedia: Das Warschauer Ghetto])
  
[[File:Bundesarchiv Bild 101I-270-0298-10, Polen, Ghetto Warschau, Drahtzaun.jpg|350px]] [[File:Warsaw Ghetto Uprising Umschlagplatz 1943 05.jpg|Der Umschlagplatz|350px]]
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Im Zuge der zunehmenden Judenverfolgung und der Endlösung der Judenfrage begannen im Juli 1942 die Deportationen der Ghettobewohner nach Treblinka, nordöstlich der Stadt gelegen. Binnen drei Monaten wurden auf diese Weise 240.000 Juden aus dem Ghetto deportiert. Aus dieser hoffnungslosen Situation der jüdischen Bevölkerung heraus galt es für die Bewohner des Ghettos, ein Zeichen zu setzen, das ausdrücken sollte, dass die Juden sich nicht kampflos ergeben würden. Am 19. April 1943 lehnten sich die im Ghetto verbliebenen Juden gegen die SS-Truppen auf. Schlecht ausgerüstet und in aussichtsloser Lage hielten die Kämpfe der Widerstandsbewegung „Zydowska Organizacja Bojowa“ gegen die Besatzungsmacht für einen knappen Monat an, ehe am 16. Mai die Kämpfe für beendet erklärt wurden. Das Gebiet wurde daraufhin gesprengt und niedergebrannt. Triumphierend telegraphierte SS-Brigadeführer Jürgen Stroop, Mitglied der SS-Gruppe Totenkopf, am 16. Mai 1943 an seinen direkten Vorgesetzten, den SS-Obergruppenführer Friedrich-Wilhelm Krüger nach Krakau:
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[[Datei:Karte des alten Warschauer Ghettos.JPG|thumb|Erinnerungstafel an das alte Warschauer Ghetto]]
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:„[…] Der ehemalige Jüdische Wohnbezirk Warschaus besteht nicht mehr. Mit der Sprengung der Warschauer Synagoge wurde die Großaktion um 20.15 Uhr beendet. […] Gesamtzahl der erfassten und nachweislich vernichteten Juden beträgt insgesamt 56.065. Und er fügte hinzu: Meine Leute haben ihre Pflicht einwandfrei erfüllt. Ihr Kameradschaftsgeist war beispiellos.“ (Zit. nach: Wladyslaw Bartoszewski: Das Warschauer Ghetto – Wie es wirklich war. Zeugenbericht eines Christen. M. e. Vorwort v. Stanislaw Lem, Frankfurt am Main 1986, S. 106, sowie: Philip Friedman: Im Ghetto von Warschau, in: Der Zweite Weltkrieg, Bd. 2: Von Pearl Harbor bis Stalingrad, Stuttgart u.a. 1989, S. 126, zitiert nach [https://de.wikipedia.org/wiki/Warschauer_Ghetto Wikipedia])
  
[[File:Krochmalna Street orphanage.PNG|315px]]  [[Datei:Orphanage Janusz Korczak Warschau.JPG|350px]]
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Viele tausende Juden verloren bei dem Widerstandsversuch und später bei der Sprengung des Ghettos ihr Leben. Die restlichen verbliebenen Juden (über 50.000) wurden nach Majdanek/Treblinka ins KZ deportiert.
  
Dom Sierot, das jüdische Waisenhaus in der Krochmalna Straße 92 in Warschau (hier ca. 1935), ist auch heute noch in Warschau zu besichtigen. Gegründet wurde das Waisenhaus von Janusz Korcak, der als Held bzw. Märtyrer in die Geschichte des jüdischen Gettos in Warschau einging. Er war polnischer Arzt, Kinderbuchautor und Pädagoge. Getragen von der jüdischen Gesellschaft Hilfe für die Waisen, nahm das von ihm gegründete Haus jüdische Kinder bis zum Alter von 14 Jahren auf. Bis zuletzt kümmerte er sich um mehr als 200 Waisenkinder, bevor er zusammen mit diesen (auf eigenen Wunsch, obwohl er es selbst nicht gemusst hätte) vermutlich in das Vernichtungslager Treblinka abtransportiert wurde, wo er den Tod fand.
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= Das Warschauer Ghetto - damals und heute =
Der Komponist und Pianist Władysław Szpilman wurde Augenzeuge des Abtransports und beschreibt die Szene in seinen Memoiren:
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Die Karte gibt einen kurzen Einblick in die Größe des jüdischen Ghettos in den 40er Jahren. Die rote Umrandung zeigt die größte Ausdehnung des Ghettos. Die roten Punkte markieren die Orte von Überresten und zentralen Gedenkstellen im ehemaligen Warschauer Ghetto, die heute besichtigt werden können. Bei ihrem Besuch in Warschau im Rahmen des Erasmus+-Projektes haben die Schüler die historischen Schauplätze vor Ort besucht und fotografiert und versuchen an dieser Stelle das alte Warschau dem heutigen Warschau gegenüberzustellen.
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[[Datei:Stepmap-karte-besuch-im-warschauer-ghetto-1558349-1.jpg|500px]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Der Umschlagplatz|Der Umschlagplatz]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Übergang über das Ghetto|Übergang über das Ghetto]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Dom Sierot|Das Waisenhaus]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Die jüdische Synagoge|Die jüdische Synagoge]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Das jüdische Theater|Das jüdische Theater]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Die Ghetto-Mauer|Die Ghetto-Mauer]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Denkmal der Ghetto-Helden|Denkmal der Ghettohelden]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Denkmal des Kniefalls|Denkmal des Kniefalls]]
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* [[Erasmus - Projekt Local Traces of Jewish Life in Europe/Das Warschauer Getto damals und heute/Der jüdische Friedhof|Der jüdische Friedhof]]
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:„''Eines Tages, um den 5. August […] wurde ich zufällig Zeuge des Abmarsches von Janusz Korczak und seinen Waisen aus dem Ghetto. Für jenen Morgen war die ‚Evakuierung‘ des jüdischen Waisenhauses, dessen Leiter Janusz Korczak war, befohlen worden; er selbst hatte die Möglichkeit, sich zu retten, und nur mit Mühe brachte er die Deutschen dazu, daß sie ihm erlaubten, die Kinder zu begleiten. Lange Jahre seines Lebens hatte er mit Kindern verbracht und auch jetzt, auf dem letzten Weg, wollte er sie nicht allein lassen. Er wollte es ihnen leichter machen. Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen, stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es so viele Beeren und Pilze gäbe. Er ordnete an, sich festtäglich zu kleiden und so hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an. Die kleine Kolonne führte ein SS-Mann an, der als Deutscher Kinder liebte, selbst solche, die er in Kürze ins Jenseits befördern würde. Besonders gefiel ihm ein zwölfjähriger Junge, ein Geiger, der sein Instrument unter dem Arm trug. Er befahl ihm, an die Spitze des Kinderzuges vorzutreten und zu spielen – und so setzen sie sich in Bewegung. Als ich ihnen an der Gęsia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges. Bestimmt hat der ‚Alte Doktor‘ noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Waisen Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert: ‚Nichts, das ist nichts, Kinder‘ um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen.''“ (Władysław Szpilman: Der Pianist. Mein wunderbares Überleben. Ullstein München 2002, S. 93–94, zitiert nach [http://de.wikipedia.org/wiki/Janusz_Korczak#cite_note-6 Wikipedia])
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'''siehe auch'''
Sein genaues Todesdatum ist unbekannt. Korczaks Tagebuchaufzeichnungen enden mit dem 5. August 1942.
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*[http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/geheimsache-ghettofilm/156914/zeitzeugenberichte-kinder-im-ghetto?p=all Zeitzeugenberichte Kinder im Ghetto (www.bpb.de)]
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*[http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/geheimsache-ghettofilm/141785/das-warschauer-ghetto Das Warschauer Ghetto]
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*[http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/geheimsache-ghettofilm/141455/marcel-reich-ranicki-ueber-das-warschauer-ghetto Marcel Reich-Ranicki über das Warschauer Ghetto]
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*[http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/geheimsache-ghettofilm/172547/video-geschichte-des-warschauer-ghettos Video Geschichte des Warschauer Ghettos]
  
  
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[http://wikis.zum.de/rmg/Erasmus_-_Projekt_Local_Traces_of_Jewish_Life_in_Europe/Zweites_Erasmus%2B-Treffen_in_Polen_%28April_2015%29 <<< zurück zur Projektseite "Zweites Treffen in Polen"]
  
 
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Aktuelle Version vom 27. März 2016, 20:10 Uhr


Logo Erasmus+-Projekt


Das Warschauer Ghetto

Das Warschauer Ghetto war das größte jüdische Ghetto in der Zeit des Nationalsozialismus. Allerdings sind heute nur noch sehr wenige Spuren des ehemaligen Ghettos zu finden. Dies liegt u.a. daran, dass das jüdische Ghetto nach dem jüdischen Aufstand 1943 von den Deutschen dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Warsaw Ghetto destroyed by Germans, 1945.jpg

Das Warschauer Ghetto 1945 nach der Sprengung/Zerstörung durch die Deutschen

Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen erreichten vier Wochen nach Kriegsbeginn die ersten Streitkräfte die Hauptstadt. In Warschau lebten mehr als 380.000 Juden. Schnell wurde klar: Für sie alle gibt es nur sehr wenig Hoffnung. Einwohner jüdischen Glaubens wurden fortan nicht nur ausgegrenzt und diskriminiert, sondern katastrophalen Lebensbedingungen ausgesetzt. Am 2. Oktober 1940 erging der Befehl zur Errichtung eines Ghettos. Durch hohe Mauern abgeriegelt entstand eine Stadt in der Stadt. Unterversorgung, Platzmangel und Zwangsarbeit bestimmten das Leben der Bewohner im Ghetto. Auf 3,1 Quadratkilometer lebten teilweise bis zu 450.000 Menschen zusammen. Damit war das Warschauer Ghetto das größte Ghetto während der Zeit der deutschen Besatzung. Überträgt man diese Bevölkerungsdichte auf den Landkreis Haßberge, würde dieser 140 Millionen Einwohner aufweisen, was in etwa der Bevölkerungszahl der Russischen Föderation entspricht. So war es nicht verwunderlich, dass der Alltag der Menschen im Ghetto von Enge, Hunger, Krankheiten und Leid geprägt war.

Polen, Warschauer Ghetto.- Passanten neben auf dem Gehweg liegenden jüdischen Kind in Lumpen
Den Juden war es nicht gestattet, das Ghetto zu verlassen, sonst drohte die Todesstrafe.

Der polnische Mediziner Ludwik Hirszfeld, der von 1941 bis 1943 im Warschauer Ghetto eingepfercht war, schilderte die menschenunwürdigen Zustände dort in folgenden Worten:

„Die Straßen sind so übervölkert, daß man nur schwer vorwärts gelangt. Alle sind zerlumpt, in Fetzen. Oft besitzt man nicht mal mehr ein Hemd. Überall ist Lärm und Geschrei. Dünne, jämmerliche Kinderstimmen übertönen den Krach. […] Auf den Bürgersteigen stapeln Kot und Abfälle sich zu Haufen und Hügeln. […] Ich sehe ungeheuer viele Männer und Frauen, die vom Ordnungsdienst gejagt werden. Alte, Krüppel und Gebrechliche werden an Ort und Stelle selbst liquidiert. […] Oft liegt etwas mit Zeitungen Zugedecktes auf dem Bürgersteig. Schrecklich ausgezehrte Gliedmaßen oder krankhaft angeschwollene Beine schauen meistens darunter hervor. Es sind die Kadaver der an Flecktyphus Verstorbenen, die von den Mitbewohnern einfach hinausgetragen werden, um die Bestattungskosten zu sparen. […] Tausende von zerlumpten Bettlern erinnern an das hungernde Indien. Grauenhafte Schauspiele erlebt man täglich.“ – Ludwik Hirszfeld (zit. nach Wikipedia: Das Warschauer Ghetto)

Im Zuge der zunehmenden Judenverfolgung und der Endlösung der Judenfrage begannen im Juli 1942 die Deportationen der Ghettobewohner nach Treblinka, nordöstlich der Stadt gelegen. Binnen drei Monaten wurden auf diese Weise 240.000 Juden aus dem Ghetto deportiert. Aus dieser hoffnungslosen Situation der jüdischen Bevölkerung heraus galt es für die Bewohner des Ghettos, ein Zeichen zu setzen, das ausdrücken sollte, dass die Juden sich nicht kampflos ergeben würden. Am 19. April 1943 lehnten sich die im Ghetto verbliebenen Juden gegen die SS-Truppen auf. Schlecht ausgerüstet und in aussichtsloser Lage hielten die Kämpfe der Widerstandsbewegung „Zydowska Organizacja Bojowa“ gegen die Besatzungsmacht für einen knappen Monat an, ehe am 16. Mai die Kämpfe für beendet erklärt wurden. Das Gebiet wurde daraufhin gesprengt und niedergebrannt. Triumphierend telegraphierte SS-Brigadeführer Jürgen Stroop, Mitglied der SS-Gruppe Totenkopf, am 16. Mai 1943 an seinen direkten Vorgesetzten, den SS-Obergruppenführer Friedrich-Wilhelm Krüger nach Krakau:

Erinnerungstafel an das alte Warschauer Ghetto
„[…] Der ehemalige Jüdische Wohnbezirk Warschaus besteht nicht mehr. Mit der Sprengung der Warschauer Synagoge wurde die Großaktion um 20.15 Uhr beendet. […] Gesamtzahl der erfassten und nachweislich vernichteten Juden beträgt insgesamt 56.065. Und er fügte hinzu: Meine Leute haben ihre Pflicht einwandfrei erfüllt. Ihr Kameradschaftsgeist war beispiellos.“ (Zit. nach: Wladyslaw Bartoszewski: Das Warschauer Ghetto – Wie es wirklich war. Zeugenbericht eines Christen. M. e. Vorwort v. Stanislaw Lem, Frankfurt am Main 1986, S. 106, sowie: Philip Friedman: Im Ghetto von Warschau, in: Der Zweite Weltkrieg, Bd. 2: Von Pearl Harbor bis Stalingrad, Stuttgart u.a. 1989, S. 126, zitiert nach Wikipedia)

Viele tausende Juden verloren bei dem Widerstandsversuch und später bei der Sprengung des Ghettos ihr Leben. Die restlichen verbliebenen Juden (über 50.000) wurden nach Majdanek/Treblinka ins KZ deportiert.

Das Warschauer Ghetto - damals und heute

Die Karte gibt einen kurzen Einblick in die Größe des jüdischen Ghettos in den 40er Jahren. Die rote Umrandung zeigt die größte Ausdehnung des Ghettos. Die roten Punkte markieren die Orte von Überresten und zentralen Gedenkstellen im ehemaligen Warschauer Ghetto, die heute besichtigt werden können. Bei ihrem Besuch in Warschau im Rahmen des Erasmus+-Projektes haben die Schüler die historischen Schauplätze vor Ort besucht und fotografiert und versuchen an dieser Stelle das alte Warschau dem heutigen Warschau gegenüberzustellen.

Stepmap-karte-besuch-im-warschauer-ghetto-1558349-1.jpg


siehe auch


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