Übung zu den Erzählperspektiven: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. März 2013, 19:34 Uhr

Erzählperspektiven

Aufgabe 1

Ordnen Sie die genannten Merkmale der jeweiligen Erzählperspektive zu.

auktorialer Erzähler kommentierend wertend kann die Gedanken der einzelnen Personen lesen allwissend Distanzierung von der Handlungsweise der Figuren erkennbare Leser-Erzähler-Kommunikation
personaler Erzähler Er-Erzähler Leser betrachtet die Handlung durch die Augen einer Romanfigur, kann also nur erkennen, was die Figur wahrnimmt Keine erläuternden Bemerkungen
Ich-Erzähler Teil des Geschehens Erzähler und Handlungsfigur sind eins begrenzte Perspektive emotionale Nähe zum Geschehen
neutraler Erzähler Ausnahme: kein Erzähler wahrnehmbar


Aufgabe 2

Ordnen Sie die nachfolgenden Textbeispiele einer Erzählperspektive zu. Erläutern Sie nachfolgend, warum...


„Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiel um eine Stange gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche?“ (Kafka, Heimkehr)

(Ich-Erzähler) (!personaler Erzähler) (!auktorialer Erzähler) (!neutraler Erzähler)


„An einem unfreundlichen Novembertag wanderte ein armes Schneiderlein auf der Landstraße nach Goldach, einer kleinen, reichen Stadt, die nur wenige Stunden von Seldwyla entfernt ist. Der Schneider trug in seiner Tasche nichts als einen Fingerhut, welchen er, in Ermangelung irgendeiner Münze, unablässig zwischen den Fingern drehte, wenn er der Kälte wegen die Hände in die Hosen steckte, und die Finger schmerzten ihn ordentlich von diesem Drehen und Reiben. Denn er hatte wegen des Falliments irgendeines Seldwyler Schneidermeisters seinen Arbeitslohn mit der Arbeit zugleich verlieren und auswandern müssen. Er hatte noch nichts gefrühstückt als einige Schneeflocken, die ihm in den Mund geflogen, und er sah noch weniger ab, wo das geringste Mittagbrot herwachsen sollte. Das Fechten fiel ihm äußerst schwer, ja schien ihm gänzlich unmöglich, weil er über seinem schwarzen Sonntagskleide, welches sein einziges war, einen weiten, dunkelgrauen Radmantel trug, mit schwarzem Samt ausgeschlagen, der seinem Träger ein, edles und romantisches Aussehen verlieh, zumal dessen lange, schwarze Haare und Schnurrbärtchen sorgfältig gepflegt waren und er sich blasser, aber regelmäßiger Gesichtszüge erfreute.“ (Keller, Kleider machen Leute)


(!Ich-Erzähler) (!personaler Erzähler) (auktorialer Erzähler) (!neutraler Erzähler)


„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. - Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof, auf welchem er sich durch sein Gewerbe ruhig ernährte; die Kinder, die ihm sein Weib schenkte, erzog er, in der Furcht Gottes, zur Arbeitsamkeit und Treue; nicht einer war unter seinen Nachbarn, der sich nicht seiner Wohltätigkeit, oder seiner Gerechtigkeit erfreut hätte; kurz, die Welt würde sein Andenken haben segnen müssen, wenn er in einer Tugend nicht ausgeschweift hätte. Das Rechtgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder.“ (Kleist, Michael Kohlhaas)

(!Ich-Erzähler) (!personaler Erzähler) (auktorialer Erzähler) (!neutraler Erzähler)



„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglichen dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.“ (Kafka, Die Verwandlung)

(!Ich-Erzähler) (personaler Erzähler) (!auktorialer Erzähler) (!neutraler Erzähler)


Erzählformen

Szenisches Erzählen Überwiegen von Personenreden (Figurenreden) Dominanz von Dialogen Zurücktreten berichtender Passagen kaum Erzählerberichte
Berichtendes Erzählen Zurücktreten der Personenrede (Figurenrede) kaum Dialoge Vorherrschen von Erzählberichten
Kontinuierliches Erzählen Einhalten der chronologischen Abfolge im Handlungsverlauf Vermeiden von Erzählbrüchen und Zeitsprüngen
Diskontinuierliches Erzählen Bewusstes Durchbrechen der chronologischen Abfolge oft bewusstes Spiel mit Erzählbrüchen und Zeitsprüngen
Bewusstseinsstrom

Zeitgestaltung

Aufgabe

Ordnen Sie den genannten Formen der Zeitgestaltung die passende Definition zu.


Erzählzeit Zeit, die der Erzähler für die Wiedergabe seiner Geschichte braucht bzw. die der Leser zur Lektüre benötigt.
Erzählte Zeit Zeitraum, über den sich die erzählte Geschichte erstreckt.
Zeitraffung Erzählte Zeit ist größer als die Erzählzeit.
Zeitdehnung Erzählzeit ist größer als die erzählte Zeit (z. B. beim inneren Monolog oder Bewusstseinsstrom bzw. Sekundenstil)
Zeitdeckung Erzählzeit und erzählte Zeit (annähernd) identisch (z. B. bei Dialogen)


Aufgabe
Zeitdehnung oder Zeitraffung?

„So verlief denn auch die Reise. Drüben in Jütland fuhren sie den Limfjord hinauf, bis Schloß Aggerhuus, wo sie drei Tage bei der Penzschen Familie verblieben, und kehrten dann mit vielen Stationen und kürzeren und längeren Aufenthalten in Viborg, Flensburg, Kiel, über Hamburg (das ihnen ungemein gefiel) in die Heimat zurück - nicht direkt nach Berlin in die Keithstraße, wohl aber vorher nach Hohen-Cremmen, wo man sich nun einer wohlverdienten Ruhe hingeben wollte.“

- Fontane: Effi Briest, S. 241

(Zeitraffung) (!Zeitdehnung)

„Drei Jahre waren vergangen, und Effi bewohnte seit fast ebensolanger Zeit eine kleine Wohnung in der Königgrätzer Straße, zwischen Askanischem Platz und Halleschem Tor“

- Fontane: Effi Briest, S. 294

(Zeitraffung) (!Zeitdehnung)


„Der Zug wurde sichtbar – er kam näher – in unzählbar sich überhastenden Stößen fauchte der Dampf aus dem schwarzen Maschinenschlote. Da: ein – zwei – drei milchweiße Dampfstrahlen quollen kerzengerade empor, und gleich darauf brachte die Luft den Pfiff der Maschine getragen. Dreimal hintereinander, kurz, grell, beängstigend. Sie bremsen, dachte Thiel, warum nur? Und wieder gellten die Notpfiffe schreiend, den Widerhall weckend, diesmal in langer, ununterbrochener Reihe. “

– Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel

(!Zeitraffung) (Zeitdehnung)


MERKE

In vielen Texten wird die Erzählperspektive nicht streng eingehalten ‑ es findet dabei meistens ein Wechsel zwischen der auktorialen und der personalen Erzählperspektive statt. Wenn man die Erzählperspektive eines Prosatextes untersucht, sollte man untersuchen, wie der Autor mit den hier skizzierten Grundtypen. umgeht und in welcher Weise er die Möglichkeiten der jeweiligen Erzählperspektive nutzt.


Quellen: