Beispiel Aufsatz

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Analysieren Sie die vorliegende Kurzgeschichte von Martin Suter „Weidmanns Nachtgespräche“ im Hinblick auf den Inhalt und charakterisieren Sie die Personen und deren Beziehung zueinander näher!

Welche Kernproblematik greift der Verfasser im Text auf?

Arbeiten Sie im Anschluss die Erzählweise im Text anhand der im Unterricht besprochenen Kriterien näher heraus!


Martin Suter „Weidmanns Nachtgespräche“

„Und schonwieder haben wir uns auseinandergelebt.“ – Diesen Gedanken könnte man auch der vorliegenden Kurzgeschichte „Weidmanns Nachtgespräche“ von Martin Suter zugrunde legen. Dabei erlebt das Ehepaar Weidmann nichts Außergewöhnliches, was nicht auch schon anderen Ehepaaren passiert wäre: sie haben sich auseinandergelebt. Gleichzeitig fällt es schwer, mit seinem Partner über seine Gefühle offen zu sprechen, v.a. dann, wenn man nicht weiß, welche Konsequenzen ein solches offenes Gespräch mit sich bringt. Das Ehepaar Weidmann steckt in einer ähnlichen Situation. Beide haben sich auseinandergelebt … Das Gespräch offenbart aber, dass dies bislang offensichtlich nur eine Partei erfasst hat.

Zu Beginn der Kurzgeschichte führt der Erzähler in Ort und Zeit der Handlung kurz ein. Die Erzählung spielt im heimischen Schlafzimmer des Ehepaares. Beide liegen nachts im Bett. Regula liest ein Buch und ist in die Biografie von Frida Kahlo vertieft, als ihr Mann Kurt ein Gespräch mit der Frage initiiert, wie sie ihn fände. (vgl. Z.8) Der folgende Sinnabschnitt und Gesprächsverlauf zeigt, dass Regula nicht weiß, wie sie auf diese Frage antworten soll. Deshalb versucht sie, ihren Mann mit einfachen Antworten zufriedenzustellen. Allerdings bleibt Kurt hartnäckig und hakt weiter nach. Er möchte nun von ihr ganz „objektiv“ wissen, wie sie ihn als „Mann“ findet hinsichtlich seines Aussehens, seiner Ausstrahlung und seiner Anziehungskraft (vgl. Z.24. Als Regula ihren Mann näher betrachtet, fallen ihr sogar weitere Makel an ihm auf. („Keine günstige Beleuchtung“, Z.26) Schließlich reflektiert sie in Gedanken ihre Unzufriedenheit über ihr Eheleben in den vergangenen Jahren, in denen Kurt Karriere gemacht hat. Sie hingegen musste sich seinen Bedürfnissen unterordnen. Am Ende ihrer Gedanken entschließt sie sich, dass es vielleicht doch der richtige Zeitpunkt wäre, mit ihm über ihre Unzufriedenheit in der Ehe zu sprechen. So legt sie ihr Buch beiseite, um sich ihm näher zu widmen. Allerdings offenbart Kurt in diesem Moment, dass er gelesen habe, dass attraktive Männer bessere Karrierechancen hätten. Somit ist er offensichtlich nur wieder an sich selbst interessiert. So fühlt sich Regula schließlich in ihrer Annahme bestätigt und greift zu einer Notlüge: „Du bist sehr attraktiv, Kurt. Ganz ehrlich.“ (Z.x), um sich anschließend wieder ihrem Buch zu widmen.

Nach 18 Jahren Ehe haben sich die beiden Personen offensichtlich auseinandergelebt, obgleich ihre Beziehung nicht zu Ende scheint, denn aus dem Ansatz zu einem offenen Gespräch wird ersichtlich, dass Regula ihre Ehe offenbar doch wichtig erscheint. Gleichzeitig erscheint der Gesprächsverlauf sehr ernüchternd, denn Kurt ist sichtlich nur an seinem Aussehen und an Selbstbestätigung interessiert, als dass er die Signale seiner Frau verstehen würde. Diese sehnt sich offenbar nach einer Abwechslung in ihrem Alltag. Darauf weist zum einen ihr Lesestoff hin: Sie liest eine Biografie von Frieda Kahlo, einer Frau, die ein aufregendes und leidenschaftliches Leben geführt hat, was indirekt darauf verweist, dass Regula gerne selbst solch ein Leben führen würde. (Z.1f.) Andererseits ist sie unzufrieden mit ihrem jetzigen Leben, da sie es satt hat „für Gattinnen von Männern mit Einfluss auf niedrige Entscheidungen“ zu kochen und weitere „Damenprogramme“ (vgl. Z.34 f.) zu besuchen. Zudem zweifelt sie an ihrer Ehe (vgl. innerer Monolog), da ihr Mann mehr auf seine Karriere als auf ihre Ehe konzentriert scheint. Aufgrund dessen versucht sie ein Gespräch mit ihm zu führen, weil sie glaubt, dass Kurt mit seiner Frage doch etwas an ihrer Meinung liegt und dies eine Möglichkeit ist, über ihre Unzufriedenheit zu sprechen. Allerdings stellt sich recht schnell heraus, dass es ihm hierbei auch wieder nur um seine Karrierechancen geht. (vgl. Z.40) Letztendlich möchte er sich offenbar nur von seiner Frau bestätigt fühlen und ist in seiner Perspektive nur auf sich beschränkt. Damit misslingt das Gespräch zwischen den beiden am Ende und es kommt zu keiner Lösung. Allerdings leistet Regula mit ihrem Verhalten hier auch einen Beitrag dazu, denn schließlich hätte sie sehr wohl am Ende die Initiative ergreifen können, um ihrem Mann die Meinung zu sagen. Dies tut sie aber nicht, sondern flüchtet sich erneut in ihr Buch und damit in ein anderes aufregendes Leben, das sie selbst nicht führt.

Damit greift der Verfasser mit seiner Erzählung ein zentrales Grundproblem auf, das häufig zentral für bestehende Konflikte ist: eine gestörte Kommunikation und unterschiedliche Erwartungshaltungen bzw. Perspektiven auf eine Situation. Würden beide offen miteinander sprechen und den anderen besser in seinen Bedürfnissen wahrnehmen, würde die Ehe vielleicht ganz anders verlaufen.

Hinsichtlich der Erzählweise lässt sich erkennen, dass die Erzählung aus der Perspektive eines auktorialen Er-Erzählers wiedergegeben wird. Dieser führt zu Beginn in den Handlungsort und die Zeit der Handlung ein. (vgl. Z.1f.: „Regula Weidmann liest beim Licht ein leidenschaftliches Leben, die Biographie von Frieda Kahlo.“) Dabei schildert er das Ereignis zum einen aus der Außenperspektive (vgl. Beschreibung des Gesprächsverlaufes bzw. Handlungsbericht, z.B. „Sie lässt das Buch sinken und überlegt.“, Z.11), gleichzeitig zeigt sich aber anhand des inneren Monologes, dass er die Gedanken und Gefühle von Regula wahrnehmen kann („[…] Stundenlang ovolactovegetarisch Kochen für Gattinnen von Männern mit Einfluss auf niedrige Entscheidungen.“, Z. 34 ff.). Dabei bleibt er aber überwiegend auf die Perspektive von Regula beschränkt und reflektiert ihre Gedanken und ihre Wahrnehmung von Kurt. Dabei wechselt er zwischen szenischem Erzählen (Dialog / wörtliche Rede) und dem inneren Monolog. Die berichtende Erzählweise tritt eher hinter dem Dialog der beiden zurück. Damit liegt auch ein zeitdeckendes Erzählen vor.