Gelungene Beispiele
Mögliche Einleitungsgedanken / Schülerbeispiele
Die Weimarer Klassik befasst sich mit den Idealen ,,stille Einfalt" und ,,edle Größe". Gemäß diesen soll der ideale Mensch in sich ruhend (vgl. Winckelmann) und in der Lage sein, das Gute, Wahre und Schöne zu erkennen und anzuwenden. Aber was ist gut, wahr und schön? Die Szene "Vor dem Tor" geht zunächst auf das Handeln Fausts in der Vergangenheit ein, als er Pestkranke mit Medikamenten versorgte. Eine gute Tat? Viele starben nach der Einnahme des Medikamentes. Der Umgang Fausts mit dieser Situation und seine innere Zerrissenheit wird in der Szene aufgezeigt.
Szenen-/Gesprächsanalyse (Schülerbeispiele) - Übungsaufsatz
- Einordnung in den Kontext
Die vorliegende zu analysierende Szene Straße I lässt sich nach der Hexenküche einordnen. In dieser führt Mephisto Faust in seine übernatürliche Welt und verabreicht ihm einen Trunk, der Faust verjüngt und als Liebestrank wirken soll. Aufgrund dessen sieht Faust in Straße I Helena, die er zuvor in der Hexenküche schattenhaft in einem Spiegel erblickt hat, in Margarete (Gretchen).
- Analyse der Gesprächsführung unter besonderer Berücksichtigung der dramaturgischen und sprachlichen Mittel
Die Szene setzt unmittelbar mit dem Auftreten Fausts und seiner zufälligen Begegnung mit Gretchen ein. Der verzauberte Faust ist von deren Schönheit so angetan, dass er sie auf charmante Art anspricht und damit den kurzen nun folgenden Dialog initiiert: ,,Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?" (V. 2605 f.). Gretchen lehnt Fausts Anliegen deutlich ab: ,,Bin weder adelig, noch schön, kann ungeleit nach Hause gehn." (V. 2607 f.) Durch die Anapher und Verneinung wird ihr Selbstbewusstsein deutlich, da sie, ohne groß nachzudenken und gemäß des üblichen Verhaltensmusters, das Angebot Fausts ausschlägt. Das Desinteresse Margaretes gegenüber Faust beendet den kurzen Dialog. Sie macht sich, wie die Regieanweisung zeigt, von ihm los und geht. Durch die schnelle und ablehnende Antwort Margaretes wird deutlich, dass sie in diesem Moment die dominante Rolle im Gespräch übernimmt, obgleich der Gesprächsanteil der beiden Protagonisten einen ausgeglichenen Gesprächsanteil besitzen.
Trotz der Zurückweisung durch Margarete verfällt Faust schwärmerisch in einen melancholischen Monolog, in dem er durch Reime wie in einem Gedicht die Schönheit und die Unnahbarkeit des Fräuleins poetisch ausdrückt. Schon durch die kurze Begegnung ist er "hin und weg" von ihren "roten Lippen" und "lichten Wangen" (vgl. V. 2613). Positiv konnotierte Adjektive sowie Ausrufe (,,Beim Himmel, dieses Kind ist schön!", V. 2609) und Vergleiche (,,Wie sie die Augen niederschlägt [...] wie sie kurz angebunden war [...]", V.2615 ff.) bekräftigen diese Schwärmerei. Faust ist völlig verzückt von Margarete (,,Wie sie kurz angebunden war, das ist nun zum Entzücken gar!", V. 2617 f.) - dies zeigt die Wirkung des Trankes. So nimmt Faust die Abweisung Margaretes, die ihm hier auf der einen Seite ,,sitt- und tugendreich", auf der anderen Seite ,,schnippisch" erscheint, vielmehr als liebevolle Geste wahr.
Der Monolog wird nun von Mephistos Auftreten (vgl. Regieanweisung) unterbrochen. Faust fordert ihn unvermittelt mit einem Imperativ auf, ihm ,,die Dirne [zu] schaffen" (V. 2619), und drückt somit eine Dringlichkeit aus, Gretchen zu "besitzen", wodurch er Gretchen zum Objekt seiner Begierde macht. Hier spricht die Wirkung des Liebestrankes aus Faust. Mephisto möchte ihm zunächst auch dienlich sein und erkundigt sich in einer Frage, welches Mädchen Faust meine. (vgl. V. 2620) Als er erkennt, dass es sich hierbei um Margarete handelt, muss Mephisto zugeben, dass er ihm diese nicht beschaffen kann und dass er keine Gewalt über sie habe: ,,Es ist ein gar unschuldig Ding, das eben für nichts zur Beichte ging; über die hab ich keine Gewalt!" (V. 2624 ff.) Dies zeigt Mephistos Begrenztheit. Er hat keine Gewalt über Gretchen. In einem parataktischen Satzbau schildert er den vorzüglichen Charakter Margaretes. Dies wird insbesondere in der Antithese zwischen Mephisto als Teufel und dem frömmigen, christlichen Verhalten Gretchens deutlich, die ,,für nichts zur Beichte ging" (V.2625). Doch dies akzeptiert Faust nicht. Im Gegenteil: Faust ist sogar bereit dafür das Gesetz zu übergehen. (,,Ist über vierzehn Jahr doch alt.", V.2627) Mephisto hält ihm in einem Vergleich seine ,,Begierde" entgegen (,,Du sprichst ja wie Hans Liederlich, der begehrt jede liebe Blum für sich", V. 2678 f.) und verweist darauf, dass Faust nicht jedes Mädchen haben kann (,,Geht aber doch nicht immer an", V. 2632). Faust reagiert äußerst ungehalten auf die Antwort Mephistos. Gesteuert von seinen Trieben droht er nun Faust, den Pakt aufzukündigen, wenn er ihm die ,,Dirne" nicht beschaffen kann und setzt Mephisto damit unter Druck: ,,Wenn nicht das süße junge Blut heut Nacht in meinen Armen ruht, so sind wir um Mitternacht geschieden" (V. 2637 ff.). Mit dieser Aussage gelingt es Faust, Mephisto zur Ausführung seines Wunsches zu drängen. Denn der Grundgedanke der Wette steht kontinuierlich im Raum und hat für Mephisto insofern Priorität, als er diese gewinnen möchte, indem er Faust zu einem höchsten Moment seines irdischen Daseins und zu einem Moment der innerlichen Erfüllung verhilft. In diesem Dilemma, einerseits den Befehl erfüllen zu wollen, andererseits jedoch auf der Stelle nicht dazu in der Lage zu sein, versucht Mephisto zuerst, Zeit zu gewinnen: ,,Bedenkt, was gehn und stehen mag! Ich brauche wenigstens vierzehn Tag`, nur die Gelegenheit auszuspüren." (V. 2639 ff.)
- Charakterisierung der Beziehung der Personen untereinander