Die Geschichte
Die Geschichte
Die Tür knarzte. Ein leiser Windhauch tänzelte durch den klammen, leicht abgedunkelten Raum. In der Ferne erklang das hohle Läuten der jahrhundertealten Bronzeglocken der Jakobuskathedrale, die weit über die roten Dächer der mittelalterlichen Stadt ragte. Er blickte sehnsüchtig aus dem mit roten Damastvorhängen halb verdeckten Sprossenfenster, an dem sich links und rechts die Spinnweben rankten. "Wie sehr hat sie diesen Blick geliebt!", verlor er sich in Gedanken, "Warum musste es so weit kommen. Was war nur geschehen, dass sie an diesem verhängnisvollen Samstagnachmittag auf einmal verschwand?" Immer schon war es eines seiner Prinzipien gewesen, Berufliches niemals mit Privatem zu verbinden. So denken ja die Meisten. Und bei den Meisten funktioniert dies selten. Auch bei ihm war das der Fall gewesen. Damals, als ihre Blicke sich in der Kapsmühle begegnet waren, hatte er dies alles noch nicht geahnt. Die Kapsmühle, das war ein altes rumänisches Second-hand Bettenlager mit Blick auf die Sümpfe. Früher hatten dort Schneeflittchen, Tokio Hotel und die Teletubbies gewohnt. Nun aber war der Laden zu einem Platz verkommen, an dem nicht einmal diese bemitleidenswerten Geschöpfe leben wollten. Richtig, sie vermuten es bereits, das Gebäude war zu einer Kindertagesstätte umgebaut worden. Doch ich schweife ab, wo war ich doch gleich...ach ja, ich wollte soeben erzählen, wie die beiden sich zum ersten mal getroffen haben. Nun, er erinnerte sich an ihr erstes Rendezvous. Diese erste Begegnung würde er nie vergessen. Er trat gerade mit einer Lieferung original rumänischer Stockbetten in den hinteren Eingang der Kapsmühle, während sie dabei war, mit einer elfengleichen Handbewegung ein Baumwolltuch glattzustreicheln, als sich ihre Blicke trafen. Für Sekunden nur! Sekunden, die ihnen zur Ewigkeit wurden. Sofort dachte er, wie es wohl wäre, wenn diese zarten Hände ihn streicheln würden. Tja liebe Leser, unser männlicher Protagonist lässt eben nichts anbrennen. Er, gemeinsam mit einer wunderhübschen Frau, umgeben von weichen Betten. Seine weiteren Gedanken führe ich lieber nicht aus. Im Prinzip könnte ich den ganzen nächsten Teil aussparen, da vermutlich auch Personen unter 18 diesen Text lesen werden. Da ich aber sowieso nichts anderes zu tun habe, will ich mal nicht so sein. Zurück zur Geschichte: Er brauchte dringend eine Anmache, einen Spruch oder so was... Doch während er nun überlegte, was er sagen sollte, hörte er auf einmal eine engelsgleiche Stimme zu ihm sprechen, und als er aufblickte, dachte er tatsächlich, ein himmlischer Bote stünde ihm gegenüber. Doch es war nur die Putzfrau, die ihn darauf aufmerksam machen wollte, dass er in einem riesigen Haufen Hundescheiße steht. Angeekelt sprang er nach vorn, riss seiner Traumfrau ein Laken aus der Hand und putzte sich mit diesem den Schuh ab. Erst als seine Schuhe endlich wieder gereinigt waren, bemerkte er, was er angerichtet hatte: Schluchzend stand sie vor ihm. Er, der diese wunderschöne Frau gerade noch für eine Gesandte Gottes hielt, hatte sie nun so sehr verletzt, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. "Machen Sie sich doch keinen Kopf, Frau... äh... ", er suchte ihre rot-weiße Arbeitskleidung nach einem Namensschild ab, fand jedoch keines. "Frau Was-Weiß-Ich. Ist doch auch egal. Das kriegen Sie schon wieder sauber. Ist doch ihr Job als Putzfrau", versuchte er sie aufzumuntern, was jedoch nach hinten losging. Denn als er ihr seinen Arm um die Schultern legte, spürte er plötzlich, wie sehr sie noch immer zitterte. Ob es Wut war? Oder doch Enttäuschung? Er wusste es nicht. Eines war ihm jedoch klar: Irgendwie musste er diese Putzfrau, die schöner war als Alles, was er je zuvor zu Gesicht bekommen hatte, wieder zum Lachen bringen. Und so nahm er ihren Arm, legte ihn um seine Schulter und hiefte sie auf. Fast wäre er unter ihrem Gewicht zusammengebrochen, was aber kein großes Wunder gewesen wäre, da selbst ein Auto leichter hoch zu heben ist. Nichts gegen sie, aber bei ihr hatte es Gott mit den Rundungen etwas übertrieben. Man hätte diesen Panzer auf eine Tonne schätzen können, so gewaltig war dieser Fleischgewordene Traum. Letztendlich weiß er bis heute nicht, was er damals an ihr fand...
Wie auch immer, er zog ein minimal benutztes Taschentuch aus seiner Tasche,befeuchtete es mittels Speichel und versuchte sie damit wieder zu Besinnung zu bringen. Der Erfolg war eher sub-optimal.Als er wieder klar sehen konnte,entschuldigte sich die Frau tränenreich für ihre Überreaktion. "Schon gut",winkte er lächelnd ab, während er mit der anderen Hand die Knöchelabdrücke in seinem Gesicht begutachtete. "Ähhh,Könnten Sie bitte den Notarzt rufen? Ich glaube, gerade hat sich eine Rippe durch meinen Brustkorb gebohrt." "Und ich denke, es würde wesentlich weniger weh tun, wenn sie von mir runtergehen würden," zwinkerte er ihr zu. "Oh, Verzeihung," entschuldigte sie sich und rollte bei Seite. "Sie haben aber nen ganz schönen Bums drauf, Fräulein... " wieder suchte er nach einem Namensschild. "Kapsmühle, Hans-Dieter-Hildegard Kapsmühle, meinem Vater gehört dieser Betrieb hier," sagte sie voll stolz. "Ahh.... da kommt also dieser selten-dämliche Name her," Doch er hatte noch nicht ausgesprochen, da sorgte sie auch schon dafür, dass er wieder ohnmächtig wurde...